EU-Reform: Fluggastrechte zwischen Schutz und Einschnitten

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Das Europäische Parlament treibt eine umfassende Reform der Passagierrechte im europäischen Luftverkehr voran. Heute hat der Verkehrsausschuss mit großer Mehrheit für neue Regeln gestimmt, die Reisenden künftig mehr Transparenz und einheitliche Standards beim Handgepäck sichern sollen, aber immer noch höhere Hürden für Entschädigungen bei Flugverspätungen mit sich bringen.

EU Fluggastrechte Reform Handgepäck
© Alex Segre/AdobeStock

Kostenloses Handgepäck für alle

Ein zentrales Element der Reform ist das Recht auf kostenloses Handgepäck: Künftig sollen Passagiere auf Flügen innerhalb der EU mindestens ein persönliches Gepäckstück (z. B. Handtasche, Rucksack oder Laptop, max. 40x30x15 cm) und ein kleines Handgepäck (max. 100 cm Umfang, bis 7 kg) ohne Zusatzgebühr mit an Bord nehmen dürfen. Damit reagiert das Parlament auf die wachsende Kritik an intransparenten Tarifmodellen vieler Airlines, die selbst für kleine Trolleys oft hohe Gebühren verlangen.

Schnellere Erstattungen und mehr Transparenz

Die neuen Regeln sehen außerdem vor, dass Ticketvermittler und Fluggesellschaften bei Flugausfällen, langen Verspätungen oder Nichtbeförderung die Kosten innerhalb von 14 Tagen erstatten müssen. Kommt ein Vermittler dieser Pflicht nicht nach, muss die Airline die Rückzahlung binnen sieben Tagen übernehmen. Für Entschädigungs- und Erstattungsanträge wird ein einheitliches Formular eingeführt, das Passagiere im Fall einer Störung automatisch innerhalb von 48 Stunden erhalten sollen.

Klare Regeln bei außergewöhnlichen Umständen

Um Streitigkeiten über Entschädigungen zu vermeiden, wird erstmals eine verbindliche Liste außergewöhnlicher Umstände festgelegt, bei denen Airlines von der Zahlungspflicht befreit sind, etwa bei Naturkatastrophen, Krieg, extremen Wetterlagen oder unvorhersehbaren Arbeitskämpfen außerhalb der Fluglinie.

Weitere Verbesserungen: Familien und Menschen mit Behinderung

Kinder unter 12 Jahren sollen künftig kostenlos neben ihren Begleitpersonen sitzen dürfen. Für Reisende mit eingeschränkter Mobilität wird das Recht gestärkt, eine Begleitperson gratis mitzunehmen. Zudem gibt es künftig einen Anspruch auf Entschädigung bei Beschädigung von Mobilitätshilfen oder Assistenzhunden.

Schutz bei multimodalen Reisen

Auch für kombinierte Reisen mit mehreren Verkehrsmitteln (z. B. Flug und Bahn) werden die Rechte gestärkt: Wer einen Anschluss verpasst, erhält Anspruch auf Verpflegung, ggf. Hotelübernachtung und klare Informationen, vorausgesetzt, die gesamte Reise wurde als ein Vertrag gebucht.

Wie geht es weiter?

Nach dem Votum des Verkehrsausschusses muss nun das Plenum des EU-Parlaments im Juli zustimmen. Anschließend beginnen die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten, die zuletzt noch eigene Vorschläge eingebracht hatten. Ziel ist ein einheitliches Regelwerk, das spätestens 2026 in Kraft treten könnte.

👉 Hintergrund: Die geplante Reform ist die erste große Überarbeitung der EU-Fluggastrechte seit über zehn Jahren. Sie reagiert auf die Kritik von Verbraucherschützern an undurchsichtigen Gebühren und schleppenden Erstattungen und und könnte für Millionen Reisende in Europa spürbare Verbesserungen bringen.

Fluggastrechte-Reform: Mehr Komfort, aber weniger Entschädigung?

Die geplante Reform der EU-Fluggastrechte steht derzeit im Spannungsfeld zwischen verbraucherfreundlichen Verbesserungen und einer deutlichen Schwächung zentraler Rechte.

Einerseits will das Europäische Parlament mit neuen Regeln für kostenloses Handgepäck, schnellere Erstattungen und mehr Transparenz bei Entschädigungsanträgen die Rechte der Passagiere stärken und den Alltag vieler Reisender spürbar erleichtern.

Andererseits sieht der aktuelle Vorschlag der EU-Verkehrsminister vor, die Schwelle für Entschädigungsansprüche bei Verspätungen deutlich anzuheben: Künftig sollen Passagiere erst ab vier oder sogar fünf Stunden Verspätung (statt bisher drei Stunden) Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben. Gerade Vielflieger und Reisende mit engen Zeitplänen würden dadurch in vielen Fällen leer ausgehe: Laut Verbraucherschützern könnten bis zu 85 Prozent der bisherigen Entschädigungsfälle künftig wegfallen. 

Während also die Reform an einigen Stellen für mehr Klarheit und Komfort sorgt, droht sie an anderer Stelle, den Verbraucherschutz im Kern zu schwächen und die wirtschaftlichen Interessen der Airlines stärker zu gewichten. Ob das Europäische Parlament diese Aushöhlung noch verhindert, bleibt offen.

📰 Mehr zum Thema Fluggastrechte-Reform:

  • In unserem Artikel vom 21.05.2025 beleuchten wir die Sorge des EU-Parlaments, dass die geplante Fluggastrechte-Reform Passagierrechte schwächen und das Parlament im Gesetzgebungsprozess übergangen werden könnte.

  • Im Beitrag vom 26.05.2025 fassen wir die breite Kritik in Deutschland an der geplanten EU-Reform der Fluggastrechte zusammen, insbesondere wegen der drohenden Einschränkungen für Passagiere.

  • Warum die geplante Reform der Fluggastrechte aus Verbraucherschutzsicht kritisch zu bewerten wäre und warum das Vorgehen demokratiepolitisch höchst umstritten ist, erläutern wir näher in unserem LTO-Gastbeitrag

  • Im Artikel vom 05.06.2025 berichten wir darüber, dass die umstrittene Fluggastrechte-Reform zwar vorerst gestoppt wurde, aber weiterhin politisch verhandelt und kontrovers diskutiert wird.

  • Mit der Newsmeldung vom 06.06.2025 gehen wir darauf ein, dass die EU-Staaten ihre Haltung zu den Fluggastrechten überraschenderweise geändert haben.
Carl Christian Müller Mueller.legal

Rechtsanwalt Carl Christian Müller Vertragsanwalt der SOS-Flugverspätung ist Rechtsexperte für Reiserecht

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