Geplante Reform der EU-Fluggastrechte: Verbraucherrechte in Gefahr?
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Geplante Reform der Fluggastrechte: Verbraucherrechte in Gefahr?
Polen hat zum 1. Januar 2025 turnusgemäß für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen. Im Rahmen dieses Ratsvorsitzes plant Polen – gemeinsam mit mehreren anderen Mitgliedstaaten – eine umfassende Überarbeitung der EU-Verordnung zu den Fluggastrechten (Reg. 261/2004). Vorgesehen ist unter anderem, dass Entschädigungszahlungen erst ab deutlich längeren Wartezeiten – künftig fünf Stunden auf Kurz- und Mittelstrecken bzw. neun bis zwölf Stunden auf Langstrecken – fällig werden. Verbraucherschützer warnen vor einer Schwächung bewährter Passagierrechte.

Hintergrund: Fluggastrechte in der EU
Seit 2004 gelten in der EU einheitliche Ausgleichszahlungen bei Annullierungen, Nichtbeförderung und Verspätungen ab drei Stunden (250 € bis 600 €, je nach Flugdistanz). Bereits in den Jahren 2013 bis 2020 hatte es Reformbestrebungen gegeben, um beispielsweise Unklarheiten bei der Auslegung des Begriffes außergewöhnliche Umstände zu beseitigen. Die Diskussionen liefen phasenweise bis 2020, wurden dann aber auf Eis gelegt.
Reformvorschläge der Europäischen Kommission und der polnischen EU-Ratspräsidentschaft
Mit Beginn ihrer Präsidentschaft im Januar 2025 hat Polen im Rat für Verkehr, Telekommunikation und Energie (TTE) die Wiederaufnahme der Reformanstrengungen initiiert. Geplant ist unter anderem:
- Anhebung der Verspätungsgrenzen: Entschädigung erst ab fünf Stunden (Kurz-/Mittelstrecke) bzw. neun bis zwölf Stunden (Langstrecke) statt bisher drei Stunden.
- Präzisere Ausnahmekriterien: Strengere Definition von „außergewöhnlichen Umständen“ (z. B. Unwetter, Streiks).
- Erweiterte Informations- und Betreuungspflichten: Schnellere Updates, Verpflegung und Hotelunterbringung bei längeren Ausfällen.
- Beschränkte No-Show-Klauseln: Keine automatische Streichung des Rückflugs wegen versäumten Hinflugs
Technische Defekte künftig als "außergewöhnliche Umstände"?
Besonders kritisch sind zudem die geplante Ausnahmen zu sehen. So sollen künftig technische Defekte an Flugzeugen als "außergewöhnliche Umstände" gelten. Dies sind derzeit ausschließlich Umstände, die außerhalb des Einflussbereichs der Airline liegen, wie etwa extreme Wetterbedingungen, Streiks der Fluglotsen oder eine Flughafenschließung aus Sicherheitsgründen. Künftig wären dann auch technische Defekte ein Grund, keinen Ausgleich zahlen zu müssen. Bislang gehören sie zum normalen Betriebsrisiko einer Fluggesellschaft.
Fazit: Die polnische Ratspräsidentschaft bringt Bewegung in eine Reform, die zwischenzeitlich steckengeblieben war. Allerdings ist der Ausgleich zwischen fairen Fluggastrechten und praktikablen Vorgaben für Airlines ist nicht einfach und scheint derzeit zu Lasten der Passagiere zu gehen. Die entscheidenden Debatten im Juni 2025 werden zeigen, ob es am Ende einen echten Mehrwert für Passagiere gibt oder ob die Schwellenwerte zu hoch angesetzt werden. Sollte es bei den vorgesehenen deutlich hören Schwellenwerten bleiben, würde die ursprüngliche Intention der Fluggastrechteverordnung ins Leere laufen. Statt die Airlines durch verpflichtende Ausgleichszahlungen zu disziplinieren und die Rechte der Passagiere zu stärken, droht eine deutliche Abschwächung des Verbraucherschutzes.
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